Fotos: Dr. Karin Rasmussen, Saskia-Marjanna Schulz, Alexandra Gräfin Dohna

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Sonntag, 30. September 2012

Was Hochbegabte nach dem Testergebnis wissen dürfen


Liebe Karin,

Deine Worte sind wieder einmal so wunderbar erhellend! Und von so liebevoller wie  intelligenter Stimmung. 

Ich gestehe: Deine Erlebnisse bei dem 24. Berliner Sommerfest von Mensa e.V. sind mir wieder einmal so richtig unter die Haut gegangen. Du schreibst so plastisch. Als sei ich selbst dabei gewesen.

Dabei ist mir bewusst geworden, dass Deine Erlebnisse genau die Themen beschreiben, die mich aktuell beschäftigt haben. Es sind Erkenntnisse von Menschen, die es sich ebenfalls zur Aufgabe gemacht haben, andere Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und die ihr Erleben in Büchern festgehalten haben. Auf den ersten Blick scheinen es sehr unterschiedliche Persönlichkeiten zu sein – auf den zweiten Blick erkennt man die Gemeinsamkeiten.

Ich spreche von Anselm Bilgri, Sven Henkel und von Peter Olsson. Der gebürtige Schwede Olsson ist Berater von Prominenten. Er hat mit vielen Spitzensportlern, Stars und Top-Managern gearbeitet  wie z.B. Oliver Bierhoff, Boris Becker und Katja Flint. In seinem Buch „Erkenne Dein Talent“ (1) interviewt er Prof. Dr. Sven Henkel von der Universität St. Gallen (2) und Vice Director des dort angesiedelten Center of Customer Insight. Henkel forscht in den Bereichen Kommunikation und Personalentwicklung. 

Anselm Bilgri studierte Philosophie und Theologie und war Prior im Kloster Andechs. Er schrieb u.a. das Buch: „Entrümple deinen Geist. Wie man zum Wesentlichen vordringt.“ (3) 2004 verliess er das Kloster und gründete das ‚Zentrum für Unternehmenskultur‘ in München. (4)

Du sprichst zu Beginn Deiner Erzählung von einem ‚verwirrenden Prozess‘, den die Hochbegabten nach dem IQ-Testergebnis durchlaufenden haben. Und Du beendest Deinen Gedankengang mit: „Aber wir lassen jedem sein Selbst! Und damit die Chance, zu allererst sich selbst zu fördern – im wahrsten Sinne des Wortes – seine Schätze zu heben!“ 

Genau dieses SELBST und der Umgang damit ist auch das Thema von Anselm Bilgri, Sven Henkel und Peter Olsson. Jenen Autoren, die ich gerade wieder gelesen habe.

Was sagen sie uns? Anselm Bilgri hält den „unverstellten Blick auf das eigene Ich“  für NÖTIG. Er erinnert an  die alten Griechen (Thales von Milet?). Und ihre Aufforderung über dem Eingang des Apollotempels von Delphi: „Erkenne dich selbst!“

Ich frage Dich: Würde der Satz da stehen, wenn es so einfach wäre, sich selbst zu erkennen? Würden wir heute noch darüber reden?

Der ehemalige Prior bringt es auf das Problem der Selbsterkennung auf den Punkt und nennt den Schuldigen: Es ist der Schweinehund. Der innere, der uns die Probleme macht. 

In Anselm Bilgris Sprache heisst die Erklärung dazu: „In meiner klösterlichen Ausbildung, dem Noviziat, habe ich mich mit den ersten Mönchen, den Wüstenvätern, beschäftigt. Faszinierend ist heute noch bei der Lektüre ihrer Biografien und Aphorismen ihr Kampf mit sich selbst. Heute würde man salopp sagen: mit ihrem inneren Schweinehund.“ Die Analogie aus dem Tierreich erklärt er so: es sind die „ungeordneten Gedanken und Gefühle“, die die Menschen bedrängen.

Als Tipp empfiehlt Anselm Bilgri ein – wie er es hier nennt – „originelles Gebet“:

  • „Gib mir die Gelassenheit, Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann.
  • Gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.
  • Gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“


Denn: „Das Tun und Umsetzen mit Tatkraft und Verstand sind die eigentliche Antwort auf die Frage: Wer bin ich? (…) Erkenne die Möglichkeiten, die in dir sind. Entdecke deine Potentiale und wecke sie. Fördere deine eigene Entwicklung!“

Es ist das, was auch Du gesagt hast im Kreise Deiner Hochbegabten: „Denn jetzt begannen meine Gesprächspartner langsam zu begreifen, dass ihre Hochbegabung in erster Linie von ihnen selbst genutzt werden muss, ehe sie von anderen erkannt und wertgeschätzt werden kann.“

Und so klingt es auch bei Peter Olsson: „Ich bin überzeugt  davon, dass jeder von uns eine besondere Gabe hat. Es ist eine Gabe, die darauf wartet, entdeckt  und entwickelt zu werden. Oft wird Talent als eine Art Mitgift verstanden, aus der sich Kapital in Form von Ruhm und Reichtum schlagen lässt. Aber darum geht es nicht. Talent ist viel mehr als das. Es ist das, was unsere individuelle Existenz ausmacht, es beeinflusst unser Leben und entscheidet darüber wie glücklich und erfüllt dieses sein wird. Wenn Talent sich mit Hingabe und Leidenschaft verbündet, wird dies in den meisten Fällen mit einer bestimmten Form des Gelingens belohnt werden.“

Die besonders gute Nachricht von Peter Olsson: „Jeder Mensch hat ein besonders Talent.“  Und darüber dürfen sich auch die Menschen freuen, deren IQ nicht die Marke von 130 erreicht hat.

Das hohe Lied vom Talent, das jede/r hat, singt auch Sven Henkel von der Universität St. Gallen: „Jeder hat aufgrund seiner Anlagen das Potenzial, in ausgewählten Bereichen Aussergewöhnliches zu leisten.“ Und er empfiehlt: „ Darum solltest du deine Kompetenzen kennen, auf sie setzen und gezielt ausbauen.“  Mit anderen Worten: Erkenne Dich – und mach‘ das Beste daraus!

Seine Tipps?

  • Ehrlich zu sich selbst sein!
  • Sich selbst  fragen: „Wovon träume ich wirklich? Wo entstehen bei mir Gefühle? Was macht mich glücklich? Welche Themen treiben mich an?“
  • Sein Geheimtipp: „Aber du musst deinem Herzen folgen – und deinem Talent. Die Kraft, die du brauchst, bekommst du nicht aus dem Kopf.“


Liebe Karin, fällt Dir etwas auf? Dies sind unsere Themen: Den richtigen Traum träumen. Auf die Gefühle achten. Und neben dem Kopf auch auf das Herz hören.

Mich freut es sehr – sehr - , wie Du Dich begeistern kannst: „Also: Lass uns diesen Film machen, sobald es geht!“ Während mein Herz schon mal erste Szenarien entwickelt, sitzt mein Kopf noch im Büro und arbeitet die Hausaufgaben ab. Er ist zuverlässig. Und deshalb können wir sicher sein: Er kommt nach.

An Deine Forscherfreundin sende ich mit Kopf und Herz dankbare Grüsse. Ich kann es kaum erwarten, das Forschungsdesign zu lesen.

Und Dir wünsche ich Freude und Erfolg für Deinen nächsten Termin am 05.10.:  „Hochbegabung verstehen - Was ist anders im hochbegabten Gehirn?“ (5)

Fühle Dich herzlich umarmt!
Deine Lilli


5 Am 05.10.2012 lädt die Berliner Mensa-Gruppe ab 17.00 Uhr zu 2 Vorträgen in die SRH Hochschule am Ernst-Reuter-Platz 10 in 10587 Berlin ein. Hierbei werden nicht nur die Vereinsaktivitäten von Mensa in Deutschland e.V. (MinD) vorgestellt, sondern auch Aspekte rund um das Thema IQ aufgegriffen. Gabriela Schnell und Dr. Karin Rasmussen geben einen Einblick in die Besonderheiten des Nachweises von Hochintelligenz/Hochbegabung: Gabriela Schnell: IQ, EQ, soziale oder praktische Intelligenz - was ist das, wie misst man es und was sagt es aus? Karin Rasmussen: Hochbegabung verstehen - Was ist anders im hochbegabten Gehirn? Das komplette Programm findet sich unter |www.mensa.de